Einblick in Man Rays Werkstatt

In den 20er-Jahren war das Studio des Fotografen Man Ray Treffpunkt des geistigen und künstlerischen Paris. Einen Einblick in seine Arbeitsweise ermöglicht „Portraits. Paris-Hollywood-Paris“. Die Publikation bietet eine Auswahl der zahlreichen erhaltenen Negative verbunden mit erläuternden Essays.

„Für Monsieur Man Ray ist das alles nur ein Tribut an den Pöbel“, kommentiert Jean Galotti 1929 Man Rays Selbsteinschätzung seiner fotografischen Auftragsarbeiten, bei denen er weitaus konventioneller verfuhr als bei den freien, künstlerischen Fotografien. „Tout Paris“ fand sich in den 20er- und 30er-Jahren im Studio des amerikanischen Surrealisten ein, dessen Dienste, wiewohl er in den ersten Jahren seine Freunde noch kostenlos porträtierte, mit wachsendem Zulauf „schick und teuer“ wurden.

Einen profunden Einblick in Man Rays Arbeitsweise gewährt die im Schirmer/Mosel Verlag erschienene Publikation „Man Ray. Portraits“ aus dem Man Ray Archiv im Centre Pompidou. Gezeigt wird eine Auswahl von 500 Aufnahmen, begleitet von Essays, welche die Auswertung von mehr als 12.000 Negativen, die digital erfasst und archiviert wurden, erläutern. Vor allem Intellektuelle, Künstler und High Society-Größen, die in einem komplexen Beziehungsgefüge zueinander standen, legten Wert darauf, ein Porträt von Man Ray anfertigen zu lassen und so gehörte für manch einen Amerikaner ein Besuch im Studio zu den Selbstverständlichkeiten eines Parisaufenthaltes.

Man Rays Foto Archiv hält aber auch die körperliche Erscheinung einiger weniger stark in der Öffentlichkeit stehenden Personen in Erinnerung, wie zum Beispiel der Montparnasser Malermodelle. So avantgardistisch manch einer von Man Rays Auftraggebern sein eigenes Werk oder Leben zelebriert haben dürfte, so konservativ blieb indes auch diese Kundschaft, wenn es darum ging, mit einer Porträtaufnahme den Zeitgenossen und der Nachwelt ein Bild von sich selbst zu überliefern. Man Ray bewunderte besonders die Gemälde alteuropäischer Meister wie Holbein, Veronese oder Vermeer und studierte deren Raumauffassung. Weiterlesen

Blickwechsel – Zeitgenössische iranische Fotografie

15In der iranischen Gesellschaft kommt dem Blick eine besondere Bedeutung für die Kommunikation zu. Eine neue Generation von Fotografen interpretiert diesen auf ganze eigene Weise.

Vier junge Leute, ein schwarz gekleideter Mann und drei Frauen im Tschador, fahren gemeinsam auf einem viersitzigen Motorroller über Land. Die beiden Frauen in der Mitte sieht man als dunkle Silhouetten, nur eine hellhäutige, feine Hand hat eine Falte im Gewand der vorderen Beifahrerin ergriffen. Die Frau ganz hinten schaut direkt, aber ernst dem Betrachter entgegen, indes das Blickfeld des Fahrers in Fahrtrichtung vom Rahmen eines kleinen Sichtfensters im Windschutz bestimmt wird. Mit dieser Schwarz-Weiss-Fotografie von Abbas setzt das Buch „Iranian Photography Now“ (Hatje Cantz, 2008) ein. Die Aufnahme könnte programmatisch die Ouvertüre zu einem Blickwechsel bilden, den diese Auswahl von Arbeiten iranischer Fotografen einläuten möchte. Denn dem Blick komme in der iranischen Gesellschaft eine besondere Funktion zu, schreibt die Herausgeberin Rose Issa im Vorwort, die Menschen kommunizierten vorwiegend mit den Augen. Es ist eine hoch entwickelte, raffinierte Blicksprache, in deren Dienst jetzt die Fotografie steht. 189 Werke von 10 Frauen und 26 Männern hat Issa zusammengestellt, ein durchaus passables Geschlechterverhältnis. Diese Fotografien von Künstlern, die im Iran oder im Ausland leben, sind hoch reflektiert, was den eigenen Standort und die sich durchdringenden Bilderkulturen angeht: Zueinander finden die persische Bildtradition, Bruchstücke der globalisierten Bildsprache der Medien, eine grosse Liebe für im Verschwinden begriffene Sozialräume des Landes sowie ein Witz, der dem westlichen Betrachter oft erst durch die Statements und Kommentare der Fotografen nähergebracht wird.
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Magnum, Magnum

19„Magnum“, die renommierte und kühne Fotoagentur der Fotografen, feiert ihr 60jähriges Bestehen: Zeitgenossenschaft, gesellschaftliches Engagement und der Blick auf Missstände und Gewalt, aber auch auf die Würde, Schönheit und Selbstachtung des Menschen bestimmen die Arbeit ihrer derzeit mehr als 60 Mitglieder. Eine ergreifende Zwiesprache mit fremden Kulturen und Denkweisen und ein visuelles Fest, das gar nicht mehr aufhören will, stellt der großformatige, schwergewichtige Fotografieband „Magnum Magnum“ dar, der in deutscher Ausgabe bei Schirmer/Mosel erschienen ist.

„Wenn man ein Buch liebt, dann liebt man alle Bilder, aus denen es besteht. Es stellt sich die Aufgabe, ein einzelnes Foto zu finden, das ans Ganze erinnert“, beschreibt der Schweizer Fotograf René Burri das schwierige und überaus gelungene, ebenso demokratische wie individuelle Prinzip, nach welchem die Auswahl für den Band getroffen wurde: Die Fotografen kuratieren sich gegenseitig. Ein Fotograf stellt einen anderen vor, trifft aus dem vorliegenden Werk eine Auswahl und schreibt einen kleinen Kommentar dazu.

Die Anordnung dieser „Wahlverwandtschaften“ erfolgt nach der Willkür des Alphabets. Das enzyklopädische Prinzip führt zu mitunter wilden Nachbarschaften. Weiterlesen

Eine Geschichte des Vertrauens. Fotografinnen fotografieren Frauen

25Selbstentwürfe von Frauen sind unweigerlich mit einem bereits existierenden Bildrepertoire, das seit Jahrhunderten aus männlicher Sicht das Weibliche definiert hat, konfrontiert, lautet eine der Thesen zur Genderdebatte, die Elisabeth Bronfen in ihrem einleitenden Essay zum Bildband „Frauen sehen Frauen“ diskutiert.

Können Frauen in der Balance zwischen Vertrautsein mit dem weiblichen Körper und der Anerkennung der Autonomie der anderen Frau als eigenständige Person die reale Frau wieder ins Bild rücken und neue Bildtraditionen gestalten ? Oder beschränkt sich ihr Spielraum doch nur darauf vorhandene, allzu bekannte Sichtweisen und tradierte Darstellungsformen ironisch zu unterlaufen?

Schaut man sich – auch wenn die Bürde theoretischer Deutungsmuster auf der Geschichte der Frauenfotografie lasten mag – die Fotografien möglichst unbefangen an, ist man hingerissen von der Nähe, Schönheit und Vitalität der porträtierten oder posierenden Frauen. Versonnene, selbstvergessene Momente blitzen auf, wie bei den Akten von Germaine Krull. Nie wird die Kamera zudringlich, stets bleibt sie zurückhaltend und gelassen. Frauen mit unförmigen Körpern (bei Lisette Model) stellen sich nicht bloß, vom Elend verhärmte Menschen (bei Dorothea Lange und Margarete Bourke-White) werden in ihrer prekären Situation aufmerksam von der Kamera begleitet.
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Venedig. Irdische Schönheit: die Serenissima

28Fünf Fotografen reisen in die Lagunenstadt, um für den mare-Verlag einen Band zu Venedig zu realisieren: wie eine Zeitreise aus der stolzen Vergangenheit in die lärmende Gegenwart mutet das Ergebnis an.

In Robert Voits Fotografien, die den Band einleiten, entsteigt Venedig dem Nebel im silbernen Gewand. In warme Brauntöne getaucht und glanzvoll entrückt erscheinen die Prospekte der Kanalstraßen und zu früher und später Stunde erglühen Fenster, Torbögen und Wasser im Licht der aufsteigenden oder untergehenden Sonne. Ein wenig unwirklich, aber von durchaus irdischer Schönheit, überschwänglich und doch reserviert, empfängt die Stadt den Betrachter. Wie Bilder zum Auftakt eines Filmes muten die Aufnahmen des russischen Fotografen Gueorgui Pinkhassov an: Sie sind hoch gestimmt und geheimnisvoll zugleich. Mit Unschärfe, Shilouetten, Mustern, geometrischen Körpern, unbegreiflichen Größenverhältnissen, wogender Bewegung wird gearbeitet. Einmal erschlägt einem fast die Pracht, als glitzernder Christbaumschmuck und reichornamentierter Stuck in einem Palast gegeneinander ausgespielt werden, hier und dort taucht ein tiefdunkles Rot auf und lockt das Auge.
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Pure Leidenschaft im Kleid äußerster Sachlichkeit

30Eine Monografie über das Lebenswerk von Bernd und Hilla Becher
„Man muss sich beeilen, wenn man noch etwas sehen will. Alles verschwindet“ mahnte Paul Cézanne die Zeitgenossen. Das „Vergehen der Welt, in die man so vernarrt ist“ im Bild festzuhalten, ist zentrales Anliegen von Bernd und Hilla Becher. Mit seinem umfangreichen Lebenswerk und seiner Lehrtätigkeit hat das Fotografenpaar der Industriearchitektur einen festen Platz im Archiv der Erinnerung verschafft und zugleich einen kaum hoch genug zu veranschlagenden Beitrag zum Einzug des Mediums Fotografie in die Kunstmuseen geleistet. Fotobücher der Bechers, in denen die Gegenstände ihres Interesses als anonymes Zeugnis einer ständig in Veränderung sich befindenden Epoche dokumentiert sind, gibt es seit den 70er Jahren. Aber erst jetzt ist im Schirmer/Mosel Verlag, in dem auch die Gesamtausgabe des Werkes publiziert wird, eine Monographie über ihre Arbeit erschienen. Der Band enthält eine Studie von Susanne Lange zu den Werkgruppen und zur Arbeitsweise, eine umfangreiche Auswahl von Fotografien zu den verschiedenen Objektbereichen sowie eine Zusammenstellung verschiedener Interviews und Arbeitsberichte aus einem Zeitraum von fast vierzig Jahren.
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Der Gebrauch der Fotografie. Das Ende der Fotografie.

32Zehn verbotene Aufnahmen, die ein Ritual in einem Kloster im Himalaya zeigen, stehen zu Beginn der einführenden Betrachtungen von Heinz-Norbert Jocks zu „Gebrauch“ und „Ende der Fotografie“. Er hat sich in Deutschland und Frankreich mit mehr als 20 Sammlern, Galeristen, Theoretikern, Museumsleuten und Verlegern über ihre Leidenschaft für das Medium unterhalten.

Die ausführlichen Gespräche und ein Teil der Fotografien, auf die man im Verlauf der Begegnung zu sprechen kommen wird, sind in zwei aufeinanderfolgenden Ausgaben der Zeitschrift „Kunstforum International“ veröffentlicht. Die Faszination durch die Fotografie besteht zunächst im Blick auf eine entschwundene Welt. Vor allem Fotografien aus der Zeit der Frühphase bis 1900 tauchen wie eine Erscheinung vor uns Heutigen auf. Es ist, wie Wilfried Wiegand zu vernehmen glaubt, „als würde eine andere Stimme zu uns sprechen“. Selbst leidenschaftlicher Sammler der frühen Fotografie rechnet er „die Erfindung der Fotografie zu den mythologischen Gründungsereignissen der Moderne“.
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Ich-loses Auge. Ein Band über Thomas Mann als fotographisches Objekt

35„Ich werde mich fotografieren lassen, die Rechte in der Frackweste und die Linke auf (…) drei Bände gestützt, dann kann ich eigentlich getrost in die Grube fahren“, schreibt der gerade 24 jährige Thomas Mann 1901 in einem Brief an seinen Bruder Heinrich. Die scherzhafte Vorstellung vom Salon des Fotografen, der als Vorhölle zur Gruft betrachtet wird, ist durchaus symptomatisch für Manns auch in späteren Jahren noch recht kritisches Verhältnis zur Fotografie. Porträtfotografien gehören für den Erfolgsschriftsteller zu den ebenso unumgänglichen wie wirkungsvollen Repräsentationsaufgaben.

Es existiert eine Reihe von exzellenten Studiofotografien: die Arbeiten von Man Ray, Lieselotte Strelow, Lotte Jacobi, und Yousuf Karsh zeigen in den dreißiger Jahren Thomas Mann als nachdenklichen, hellwachen, oder auch verschlossenen Zeitgenossen, der als erklärter „Liebhaber der Physiognomik“ am vielgestaltigen Ausdruck seiner eigenen Porträts bereits ein reiches Arbeitsfeld vor sich gefunden hätte. Dennoch kokettiert der Dichter, ungeachtet dessen, dass er es mit den besten Fotografen seiner Zeit zu tun hat, damit, dass er lieber stundenlang einem Zeichner Modell sitzen würde, als sich dem „blind-sehenden“, „ich-losen und exakten Apparat“ auszuliefern.

Eva-Monika Turck hat in ihrem schön ausgestatteten und großzügig bebilderten Essay Thomas Mann. Fotografie wird Literatur den Versuch unternommen anhand von Textbeispielen und Bildmaterial das Verhältnis von Thomas Mann zur Fotografie in einer kursorischen Werkanalyse darzustellen. So ansprechend der Band auf den ersten Blick erscheinen mag, so enttäuschend ist leider der Inhalt. Ausgangspunkt ist der Gedanke der Sammlung. Wie in einem imaginären Fotoalbum sollen Bild für Bild die Hinweise und Beschreibungen aufgeschlagen werden, in denen in Manns Werk Fotografien erwähnt oder beschrieben werden.

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Die Archivierung und Verwandlung der Welt im Medium der Fotografie

39„Die Welt, die sich dem Auge darbietet, ist eine völlig andere als diejenige, die sich der Kamera zeigt“ schreibt Bernd Stiegler. Aus einer Fülle von literarischen und naturwissenschaftlichen Quellen rekonstruiert er in seiner Habilitationsschrift eine – aus heutiger Sicht eher trivial erscheinende – Einsicht in die medienspezifische Besonderheit der Fotografie, die im 19. Jahrhundert allerdings erst allmählich heranreift.

Vertraute und ferne Lebenswelten dokumentiert das neue Medium nüchtern, scheinbar unbestechlich und mit steigender Geschwindigkeit der Wiedergabe. Die Fotografie konserviert Sichtbares. Sie vermag aber auch, wie die Momentfotografie von Bewegungsabläufen zeigt, bisher unsichtbar Gebliebenes aufzuzeichnen. Stiegler verfolgt die veränderliche Wertschätzung der Fotografie in der wissenschaftlichen und poetologischen Diskussion und die eifersüchtige Auseinandersetzung mit der „Medienkonkurrenz“ in Literatur und Ästhetik. Zwei Linien zeichnen sich in der nicht sehr übersichtlich strukturierten Darstellung des zeitgenössischen Diskurses um die Fotografie ab.
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