Bildmotive eines Nachtvogels: Paris in den Dreißiger Jahren

Regennasse Kopsteinpflaster, auf denen Lichtreflexe tanzen, Straßenlaternen mit gestreutem Licht, unter denen Mädchen warten, gusseisernes Stadtmobiliar von der Parkeinfassung bis zur Balkonbrüstung, überfüllte Bistros mit Spiegeln und ausgelassenen Pärchen an engen Tischchen, hingebungsvolle Liebespaare in Hut und Mantel, heute zum Teil ausgestorbene „kleine Berufe“ auf der Straße, die Akteure mit Schiebermütze und in Schnürstiefeln oder sogar in einer Art Uniform gesteckt: All das hat jahrzehntelang im zwanzigsten Jahrhundert das Bild von Paris geprägt. Scheinen in diesen Vorstellungen Bilder vom nächtlichen Paris auf, sind sie maßgeblich von den verhalten daherkommenden Aufnahmen Brassaïs bestimmt, der Anfang der dreißiger Jahre das nächtliche Paris „als Nachtvogel“ mit einer schweren Mittelformatkamera durchstreift hat. Mit dem Fotobuch „Paris de nuit“ (1932), das 64 sorgfältig ausgewählte Fotos zeigte und von einem Text des Schriftstellers Paul Morand begleitet war, wurde Brassaï „über Nacht“ berühmt. Einen profunden Einblick in dieses und andere Werke, auch Arbeiten aus dem Nachlass, die sich seinem großen Thema, dem nächtlichen Paris und einer sorgsam in Szene gesetzten Unterwelt widmen, gibt der zuerst bei Gallimard, jetzt bei Schirmer/Mosel aufgelegte und schön ausgestattete Band. Weiterlesen

Nächtliche Spiele

Einführung zur Ausstellung „Play“ von Ellen Bornkessel, Zeche Zollverein Essen 2013

Wir verlassen nach Einbruch der Dunkelheit das Haus oder steigen aus einem Fahrzeug und schon tauchen wir ein in das Treiben der hell erleuchteten Stadt, werden selbst zu einem Teil des Straßenbildes, das wir vorfinden: Sind wir noch Zuschauer oder sind wir bereits schon Akteure?

Ellen Bornkessels Aufnahmen zeigen die Großstadt als nächtliche Bühne für ihre Bewohner. Die architektonische Umgebung der Semperoper in Dresden bildet den Auftakt zu gleich mehreren Bildern (Das Ereignis, Der Weg, Die Kurve, Die Nachricht): ein großzügig gestalteter Platz, hell erleuchtete Fassaden und ausladende Treppenaufgänge, ganz großes Theater – die Schauseite der europäischen Monopole, Inbegriff kultivierter Architektur und städtischen Lebens. Das meiste ist jedoch spätere Inszenierung nach historischem Vorbild: Die im Krieg zerstörte Semperoper wurde teilweise schon in der Nachkriegszeit wieder aufgebaut, dann originalgetreu 1985 rekonstruiert und mit Beleuchtungsregie wirkungsvoll in Szene gesetzt.

Die Wahl dieses Ortes kann in zweifacher Hinsicht als geradezu programmatisch für Bornkessels Arbeit aufgefasst werden. Ihre Liebe gilt dem Theater, sie hat Probe und Premiere der spektakulären „Promethiade“-Triologie, die in Essen, Istanbul und Athen aufgeführt wurde, fotografisch künstlerisch begleitet. Weiterlesen