In der legendären Becherklasse für Fotografie unterrichtet worden zu sein, ist der Karriere nur bedingt förderlich: Gerade Frauen werden bis heute gerne als deren „Schülerin“ wahrgenommen, sodass man sich wenig darum bemüht, ihre Bildideen, ihre Themen und ihre Ästhetik als eigenständige künstlerische Position zu würdigen. So auch im Fall von Tata Ronkholz, die obendrein aus finanziellen Gründen nur wenige Jahre ihre künstlerische Arbeit intensiv verfolgen konnte. Kennerinnen verbinden ihr Werk vor allem mit den „Trinkhallen“, den kleinen Büdchen im Kölner Raum und im Ruhrgebiet, die eine Mischung aus Kiosk und erweitertem Wohnzimmerausschank sind, Ronkholz’ Archiv umfasst dazu Hunderte von Schwarzweiß-Aufnahmen. Sie zeigen inmitten zeitspezifischer architektonischer Tristesse einen banalen, aber grell ins Auge fallenden Ort, an dem in der Fülle der auf kleinstem Raum zur Schau gestellten Illustrieren, dem Potpourri von Tabakwerbung und buntem Süßkram, im Zusammenspiel von Typografie und Bild ein Hauch von Werthaltigkeit zu spüren ist. Und dies, obwohl keine Menschen zu sehen sind. Letzteres kann man auf die Bechers zurückführen oder auf den ganz spezifischen beruflichen Hintergrund, den die Ausstellung in der SK Stiftung Kultur thematisiert und dem Julia Reich in einem Essay des Katalogs nachgeht: Ronkholz war Innenarchitektin und eine avantgardistisch- konstruktivistisch arbeitende Möbeldesignerin, die auch Produktfotografie betrieb – in menschenleeren Räumen. „Das Büdchen um die Ecke“, so Ronkholz, wolle sie in ihrer „ganzen Liebenswürdigkeit“ zeigen, man könnte sagen als eine Art von Erholung für ein an strenger Formensprache und visueller Beherrschtheit geschultes Auge. Ihren Sinn für elementare architektonische Formen und Details hatte sie zuvor schon in Aufnahmen aus der Toskana fotografisch unter Beweis gestellt, hier werden Ausschnitte von der Verwitterung ausgesetzten sakralen Bauten gezeigt, ihre steinernen Rundbögen, Friese und schwarzweißen Marmorbänder kontrastieren mit dem Straßenpflaster. Die Bildsprache ist klar und wohlüberlegt.
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