Das Phantom des Palastes

Bausperrzäune im Inneren der Räume des „Palastes der Republik“, ein beiseite gerückter Stuhl, die Spuren der Abbrucharbeiten: Betrachtet man die Fotodokumentation des Fotografen Christian von Steffelin über den aufgelassenen, zeitweilig umgenutzten, asbestsanierten, entbeinten und schließlich abgerissenen „Palast der Republik“ der gewesenen Hauptstadt der untergegangenen DDR, so ist es zeitweilig als schaute man in den aufgelassenen Fundus eines Theaters. „Erichs Lampenladen“ wie der Palast aufgrund der Unmengen von ballonförmigen Lampen im Inneren genannt wurde, wirkt aus heutiger Perspektive tatsächlich wie eine Mischung aus realsozialistischem Kaufhaus – es gab Rolltreppen und klein gemusterte Teppichböden – und Inszenierung dessen, was man in der DDR der Siebziger Jahre für fortschrittlich hielt. Manches verströmt den Charme älterer Sciencefiction Filme, zwischen Kitsch und Formwillen, mal futuristisch, mal zum Fürchten bieder.
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Die Welt der Hafenstädte

6Michael Zibolds Fotografien wurden in großen Hafenstädten mit klingenden Namen aufgenommen: Lissabon, Istanbul, Hamburg, Marseille, Shanghai sowie in vierzehn weiteren Städten. Fast klingt es wie eine Rechtfertigung, wenn der Klappentext dann davon spricht, dass diese Auswahl eine mehr „zufällige“ als „beabsichtigte“ Klammer eint: Der Hafen spiele auf den Fotos, die innerhalb eines Zeitraums von zwanzig Jahren entstanden sind, eine eher beiläufige Rolle.

Klassische Hafensujets wie Schiffe, Kaianlagen, Fischernetze und Möwen befinden sich tatsächlich in der Minderzahl. Allerdings haben die Städte – bei aller geographischen und kulturellen Heterogenität – in der ständigen Gegenwart von Meer oder Fluss übergreifende Gemeinsamkeiten: Sie sind als Hafen- und Handelsstädte zuerst materieller Umschlagplatz von Waren und Menschen. Mit Fischereigewerbe, aber auch Prostitution sind sie Schauplatz harter körperlicher Arbeit. Ihre Verbindung zum offenen Meer schuf eine Projektionsfläche für Sehnsüchte nach Aufbruch und Weltläufigkeit, lange bevor die Welt global vernetzt war. Zibold zeigt das Unspektakuläre, aber visuell Reizvolle, das mehr über die Atmosphäre, das Licht, aber auch die Schattenseite einer Stadt auszusagen vermag als die Touristenattraktionen – es ist ein wenig wie mit Hotelzimmern: Sternehotels im historischen Zentrum bedienen Erwartungen, in einfachen Unterkünften in weniger besuchten Stadtteilen erfährt man etwas über die Bewohner.
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“Stillleben nach dem Exodus. Wehrkirchen in Siebenbürgen” fotografiert von Peter Jacobi

13Einführung zur Ausstellung. Ausstellung vom 6. Dezember 2009 bis 22. Januar 2010 Gasteig München

Meine Damen und Herren, lieber Peter Jacobi,
Was haben wir weitergegeben, was wollen wir weitergeben, was dürfen wir weitergeben? Peter Jacobis Fotografien schaffen für solche Überlegungen Raum. Die Frage nach Bewahren und Verschwinden ist zur Existenzfrage der Moderne geworden, und dies nicht erst seit heute. „Es steht schlecht. Man muss sich beeilen, wenn man noch etwas sehen will. Alles verschwindet“, notierte Cézanne 1905 in sein Tagebuch. Nicht nur Landschaften und Lebensformen, auch Gebrauchsgüter unterliegen dem Sog des Verschwindens und es sind oft Künstler, die als erste mit ihren Arbeiten auf drohende Verluste aufmerksam gemacht haben: Peter Handke beispielsweise reiste in den Neunziger Jahren nach Spanien, um dort nach Musikautomaten, den Jukeboxen, Ausschau zu halten, die zu diesem Zeitpunkt längst aus heimischen Gastwirtschaften verschwunden sind. Der Filmregisseur Wim Wenders dokumentierte in seinem Film „Im Lauf der Zeit“ (1976) Lichtspieltheater im Zonenrandgebiet, da das Kinosterben in den siebziger Jahren die Dorfkinos erfasst hatte. In den abrissfreudigen sechziger und siebziger Jahren schärften Bernd und Hilla Becher mit nüchtern wirkenden Fotografien das Auge für die architektonischen und plastisch-skulpturalen Qualitäten von industrieller Gebrauchsarchitektur. Bei Kirchen, die ganz selbstverständlich – ohne dass es spezieller Erklärungen oder eines besonderen Blicks bedarf, zum Kulturerbe gezählt werden, hinterlässt die Bedrohung durch das Verschwinden eine weitergehende Verunsicherung als dies bei Jukeboxen und Getreidesilos oder Wassertürmen, die von vornherein nur zu temporärem Gebrauch bestimmt sind, der Fall sein mag. Weiterlesen

Venedig. Irdische Schönheit: die Serenissima

28Fünf Fotografen reisen in die Lagunenstadt, um für den mare-Verlag einen Band zu Venedig zu realisieren: wie eine Zeitreise aus der stolzen Vergangenheit in die lärmende Gegenwart mutet das Ergebnis an.

In Robert Voits Fotografien, die den Band einleiten, entsteigt Venedig dem Nebel im silbernen Gewand. In warme Brauntöne getaucht und glanzvoll entrückt erscheinen die Prospekte der Kanalstraßen und zu früher und später Stunde erglühen Fenster, Torbögen und Wasser im Licht der aufsteigenden oder untergehenden Sonne. Ein wenig unwirklich, aber von durchaus irdischer Schönheit, überschwänglich und doch reserviert, empfängt die Stadt den Betrachter. Wie Bilder zum Auftakt eines Filmes muten die Aufnahmen des russischen Fotografen Gueorgui Pinkhassov an: Sie sind hoch gestimmt und geheimnisvoll zugleich. Mit Unschärfe, Shilouetten, Mustern, geometrischen Körpern, unbegreiflichen Größenverhältnissen, wogender Bewegung wird gearbeitet. Einmal erschlägt einem fast die Pracht, als glitzernder Christbaumschmuck und reichornamentierter Stuck in einem Palast gegeneinander ausgespielt werden, hier und dort taucht ein tiefdunkles Rot auf und lockt das Auge.
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Pure Leidenschaft im Kleid äußerster Sachlichkeit

30Eine Monografie über das Lebenswerk von Bernd und Hilla Becher
„Man muss sich beeilen, wenn man noch etwas sehen will. Alles verschwindet“ mahnte Paul Cézanne die Zeitgenossen. Das „Vergehen der Welt, in die man so vernarrt ist“ im Bild festzuhalten, ist zentrales Anliegen von Bernd und Hilla Becher. Mit seinem umfangreichen Lebenswerk und seiner Lehrtätigkeit hat das Fotografenpaar der Industriearchitektur einen festen Platz im Archiv der Erinnerung verschafft und zugleich einen kaum hoch genug zu veranschlagenden Beitrag zum Einzug des Mediums Fotografie in die Kunstmuseen geleistet. Fotobücher der Bechers, in denen die Gegenstände ihres Interesses als anonymes Zeugnis einer ständig in Veränderung sich befindenden Epoche dokumentiert sind, gibt es seit den 70er Jahren. Aber erst jetzt ist im Schirmer/Mosel Verlag, in dem auch die Gesamtausgabe des Werkes publiziert wird, eine Monographie über ihre Arbeit erschienen. Der Band enthält eine Studie von Susanne Lange zu den Werkgruppen und zur Arbeitsweise, eine umfangreiche Auswahl von Fotografien zu den verschiedenen Objektbereichen sowie eine Zusammenstellung verschiedener Interviews und Arbeitsberichte aus einem Zeitraum von fast vierzig Jahren.
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Bewegte Nüchternheit – Laurenz Berges fotografiert verlassene Ortschaften

31Leerstehende Räume in einem dem Kohletagebau preisgegebenen Dorf, hin und wieder ein Blick auf eine wenig spektakuläre Landschaft im Rheinland – das ist das Sujet von Laurenz Berges‘ Fotografieband „Etzweiler“.

Wie fast alle Absolventen der Fotografieklasse Bernd Becher erweist er seinem Lehrmeister dadurch seine Referenz, dass er seine nüchterne Liebe zum Gegenstand teilt, wie karg auch immer dieser zunächst erscheinen mag. Mit seinem stärkenden Blick im Rücken entwickelt Berges eine distanzierte und doch bewegte Sicht auf die verlassenen Wohnstätten der Einwohner Etzweilers.

Eindringlich ist eine nur wenig variierte Anordnung. Fast die Hälfte der Fotografien zeigt eine kahle Wand, mit Raufaser tapeziert – das ist die traurige Variante – oder mit einer kühnen Tapete versehen: Blütenmuster auf schwarzem Grund, Trauerweide und Seerosen, Figürchen – das ist für sich schon anrührend. Lichtschalter und Steckdose wurden nicht abmoniert, ebenso wenig die Fußleisten. Weiterlesen

Candida Höfer: Monographie.

37Ein eigentümlicher Glanz liegt über den Räumen, die Candida Höfer, in ihrem sorgfältig ausgestatteten Fotografieband dem Betrachter vor Augen führt. Schlicht „Monographie“ heißt das gewaltige Unternehmen, das Bibliotheken und Museen, Orte des Wissens und der Sammlung, aber auch Turnhallen und Schulungsräume, Restaurants und Kursäle in Europa und Amerika zeigt.

In der Regel wird dem Blick Einlass in ein Raumgehäuse gewährt, das von der Ausstattung des Fußbodens bis zur Deckenbeleuchtung die architektonische Konzeption klar erkennen lässt. Ob die Dichte des Inventars im Lesesaal einer ehrwürdigen Bibliothek oder die planerische Kühle des Tresorraums einer Bank, stets scheinen die Räume, lange ehe der Mensch hinzutritt, in überzeugender Geschlossenheit in sich zu ruhen. Menschen sind selten zu sehen, gezeigt wird aber ein Raum, der für die Arbeit von Menschen bestens vorbereitet ist. In Erwartung bald einsetzender Aktivitäten erweist er zuvor einer stets dezenten, auf Farbgebung und Linienschwung eingehenden Kamera seine Referenz. Weiterlesen