Dialog der Bauwerke, Einsamkeit der Nutzer

Die zeitgenössische Architekturfotografie kennt ganz unterschiedliche Positionen
Architekturfotografie begnügt sich nicht mit der präzis erfassten Wiedergabe der Anatomie eines Gebäudes. Die Standpunkte reichen vom praxisorientierten Zugang über Freiräume der Imagination bis hin zum Augenmerk auf Rückbau und Absurdität entfesselter Bautätigkeit.

«Offenbar schlug ein kühner Architekt vor, als Brest nach dem Krieg in Ruinen lag, wo man schon alles neu bauen müsse, da sollten doch alle Einwohner das Meer sehen können: Man könne doch die Stadt im Halbkreis wieder aufbauen, nach hinten immer höhere Häuser, die Stadt bis an den Rand der Strände gezogen.» So setzt Tanguy Viels 2009 erschienener Roman «Paris-Brest» ein. Statt der Freigabe des Blicks und der Aufkündigung sozial differenzierender Höhenunterschiede sei es zu einem Wiederaufbau gekommen, der die Hafenstadt «kubisch und abgeplattet» erscheinen lasse «wie eine aztekische Pyramide abgeschnitten mit einem horizontalen Sensenhieb». Solch literarische Architekturkritik, die mit einprägsamen visuellen Bildern arbeitet, rüttelt an dem, was Architektur und Architekturfotografie im gelungenen Fall materiell und immateriell in Aussicht stellen: Freude am Ausblick, eine soziale Perspektive, die Reminiszenz an tradierte geometrische Formen, die aber auch wie hier zum Nachteil für die städtische Situation gegen den Strich gebürstet werden können.
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Klasse Bilder. Die Fotografieästhetik der “Becher-Schule”

50Die Fotografen Bernd und Hilla Becher sowie deren Schüler haben im späten 20. Jahrhundert die Fotografie als eigenständige Kunst ins Museum gebracht. Maren Polte widmet sich in ihrer Studie fünf renommierten Becher-Schülern.

Ein Lehrer an der Kunstakademie ist dann erfolgreich, wenn er eine so klare künstlerische Position vertritt, dass seine Schüler ihn gar nicht erst nachzuahmen versuchen. Maren Polte beschreibt und vergleicht in ihrer bemerkenswerten Studie den Weg der fünf prominentesten Absolventen der ersten Generation der legendären Düsseldorfer Fotoklasse von Bernd und Hilla Becher: Das schon früh überaus erfolgreiche Trio Thomas Struth, Thomas Ruff, Andreas Gursky, sowie Axel Hütte und – etwas verspätet als einzige Frau vergleichbar wahrgenommen – Candida Höfer.

Der erste Anstoß, der den anhaltenden Erfolg dieser Fotografen erklärt, liegt tatsächlich im Wirken ihrer Lehrer begründet. Das unbeirrte, monolithische Werk von Bernd und Hilla Becher, die ihr Lebensthema in den Varietäten der untergehenden Industrielandschaft mit ihren Kühltürmen und Hochöfen, Silos und Gasbehältern gefunden hatten, schuf eine kaum zu übernehmende Vorgabe. Dokumentation und objektivierender, wenn auch durch und durch konstruierter Bildaufbau der Becher-Fotografien verleiht den Industriebauten eine einzigartige Autonomie als skulpturale Objekte, die ihre einstige Funktion vergessen lässt.

Als Arbeitsprinzip aber ist diese Kombination genau das, was die fünf so unterschiedlichen Fotografen verbindet. Sie fotografieren sachlich emotionslos, arbeiten gerne mit der Großplattenkamera, die eine genaue Bildkomposition bei hohem Detailreichtum ermöglicht und lösen ihre Gegenstände aus dem sie umgebenden Kontext. Der entscheidende Unterschied, der mit dafür verantwortlich ist, ein vollkommen eigenständiges Werk verfolgen zu können, liegt aber im gesellschaftlichen Wandel begründet.

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Die Düsseldorfer Photoschule. Photographien 1961-2008

10Als Lehrende an der Düsseldorfer Kunstakademie hatten Bernd und Hilla Becher einst eine Generation von international anerkannten Fotografen ausgebildet. Der Kunsthistoriker Stefan Gronert gibt einen Überblick über das Schaffen von zehn Fotografen, welche die Becher-Klasse durchlaufen haben.

Alles begann mit Aufnahmen von Hochöfen und Kühltürmen, Siegener Fachwerk und Getreidesilos: Die ‚anonymen Skulpturen‘ von Bernd und Hilla Becher schufen ein neues Verständnis für die spröde Formenwelt der Industriekultur und zugleich für die Fotografie als konzeptionell fundierte Kunst.

Bernd und Hilla Becher verhalfen international der zeitgenössischen deutschen Fotografie zum Durchbruch, gleichermaßen mit ihrer Arbeit als Fotografen wie als Lehrende an der Düsseldorfer Kunstakademie. Der Bildband „Die Düsseldorfer Photoschule“ von Stefan Gronert fokussiert neben den Aufnahmen der Bechers das fotografische Werk von zehn international anerkannten, einstigen Absolventen der Becherklasse. Das Buch lässt sich auf zwei Ebenen lesen: als visuelles Ereignis und als begleitende Einführung. Mit der Anordnung der Arbeiten beginnend mit Bernd und Hilla Becher bis zu Jörg Sasse schließt sich von den ersten Wassertürmen bis zu Sasses turmförmigem Bild-„Speicher“ ein Bogen. Weiterlesen