Kontinuität der Dinge – Beatrice Minda: Innenwelt

21UPDATE mit weiteren Bildern
Die eigenen vier Wände, so vorläufig und bedroht sie von außen sein mögen, bilden das Gehäuse des Menschen, in dem Traditionen bewahrt, Ordnungen verteidigt, inmitten des Alltags ein Rahmen geschaffen wird für Lebensentwürfe und Träume, so bescheiden diese auch sein mögen. Beatrice Minda hat gute Stuben in Rumänien in sonntäglichem Licht fotografiert, Wohnungen von Landsleuten im französischen und deutschen Exil, aber auch Verschläge von rumänischen Arbeitsemigranten an der Peripherie von Paris.

Bunt gemixte Muster und Ornamente auf farbenprächtigen Teppichen und Tapeten, filigrane Deckchen und Handarbeiten überziehen die Wohnungen in Rumänien wie ein Gespinst, unterbrochen von Fotografien der Lieben, Ikonen und Gemälden. Schwergewichtige Restbestände bürgerlichen Mobiliars auf engstem Raum gepresst, peinlich genau Arrangiertes, hin und wieder Bücherstapel, eine mühsam geordnete Welt scheint in eine Zeitkapsel gepresst worden zu sein.

Beatrice Minda: Sambata, 2003


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Blendende Reduktion, üppige Fülle: North South

27Der Weg vom kargen Norden zur Vegetation des Regenwalds, den der Betrachter von Axel Hüttes neuem Fotografieband „North South“ durchmisst, ist gleich überwältigend in seiner Schönheit wie seiner visuellen Anstrengung.

Zunächst kaum zu fassen vermögen zwei Augen das Gebotene. Die äußerste Reduktion einer aufgeworfenen Schneelandschaft, zart überfrorene Wiesen und filigrane Eis-Ornamente bestimmen die Bilder des hohen Nordens, während in Aufnahmen von südlicheren Gefilden die verschwenderische Üppigkeit einer Natur gefeiert wird, die einen nicht enden wollenden Formen- und Farbenreichtum hervorbringt.

Der erste Teil des Bandes widmet sich Landschaften in Alaska, Island, Norwegen. Eisig, von blendender Helligkeit, die noch den Anflug eines sommerlichen Grün wie eine Offenbarung erscheinen lassen, zeigen diese Bilder eine minimalistische Welt, in der nur das Wesentliche Raum findet. Die Kamera bietet eine fast philosophisch anmutende Reflexion über die unterschiedlichen Zustände des Wassers, vom Fließen zum Erstarren: schneebedeckte Flächen werden neben freiem Wasser gezeigt, das sich als Sturzbach über kantige Felsen ergießt, schließlich das Meer, dessen Gischt vor Kälte zu klirren scheint.
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Gebrochene Liebe – Inge Moraths Österreich

29Inge Morath, die große alte Dame der Fotografie, die mit ihrer Kamera engagierte Zeitgenossenschaft, aber auch Witz und Menschenfreundlichkeit bezeugt, hat ihr Geburtsland Österreich mit der gebrochenen Liebe der Ausgewanderten betrachtet.

Der postum erschienene Fotografieband „Durch Österreich“ zeigt Werke aus den 50er Jahren und einige weitere Schwarzweiß-Fotografien aus späteren Jahrzehnten. Der brüchig gewordene Glanz der einstigen Reichs- und Residenzhauptstadt Wien bildet den architektonischen Rahmen für ihre Stadtansichten, die zugleich Bilder vom Leben der Menschen in der Nachkriegsära sind. Aus der zeitlichen Distanz von fast fünfzig Jahren fällt dem Betrachter dieser Fotografien zuerst das Veralten von Aktualitäten ins Auge: Fassaden, Reklame, Berufe, das bescheidene Leben der Alten, die Lustbarkeiten auf dem Prater – sie alle haben an Vertrautheit verloren und nehmen bereits einen Platz in der Erinnerung ein.
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Bewegte Nüchternheit – Laurenz Berges fotografiert verlassene Ortschaften

31Leerstehende Räume in einem dem Kohletagebau preisgegebenen Dorf, hin und wieder ein Blick auf eine wenig spektakuläre Landschaft im Rheinland – das ist das Sujet von Laurenz Berges‘ Fotografieband „Etzweiler“.

Wie fast alle Absolventen der Fotografieklasse Bernd Becher erweist er seinem Lehrmeister dadurch seine Referenz, dass er seine nüchterne Liebe zum Gegenstand teilt, wie karg auch immer dieser zunächst erscheinen mag. Mit seinem stärkenden Blick im Rücken entwickelt Berges eine distanzierte und doch bewegte Sicht auf die verlassenen Wohnstätten der Einwohner Etzweilers.

Eindringlich ist eine nur wenig variierte Anordnung. Fast die Hälfte der Fotografien zeigt eine kahle Wand, mit Raufaser tapeziert – das ist die traurige Variante – oder mit einer kühnen Tapete versehen: Blütenmuster auf schwarzem Grund, Trauerweide und Seerosen, Figürchen – das ist für sich schon anrührend. Lichtschalter und Steckdose wurden nicht abmoniert, ebenso wenig die Fußleisten. Weiterlesen

Kühle Schönheit der Welt. Axel Hütte: „Terra Incognita. Photographien 1982 – 2003“

33Eine in ihrer kühlen Schönheit zurückhaltende und doch mit ihrer Unnahbarkeit lockende Welt tritt dem Betrachter von Axel Hüttes Fotografieband „Terra incognita“ entgegen.

Dieser bietet eine Retrospektive der Arbeit des Künstlers über zwei Jahrzehnte hinweg. Rätselhafte Spiegelungen von Bäumen und Menschen im Wasser bilden mit zwölf Arbeiten den Auftakt. In schilfiges Dunkelgrün getaucht erscheinen Baumstämme und Laub. Das Blattwerk lässt in seiner Regelmäßigkeit an die Manier älterer Landschaftsmalerei denken, während man unversehens nach der „Staffage“ sucht: der menschlichen Gestalt im Vordergrund, die am Rande des Wassers steht. An ihr misst man die Höhe der Stämme, orientiert sich unwillkürlich, auch wenn sie klein, verschwommen, schemenhaft bleibt.

Der natürliche Spiegel des Wassers und eine fast entkörperlichte menschliche Figur bilden das Entrée des sorgfältig komponierten Buches. Dies ist durchaus programmatisch zu verstehen: in später positionierten Landschaften Hüttes bleibt der Betrachter, wenn auch nicht ungeleitet, so doch sich selbst überlassen. Einige unerbittlich sachlich gehaltene Straßenszenen aus Großbritannien in blendendem Schwarzweiß und Aufnahmen von nüchternen, verlassenen Innenräumen aus den achtziger Jahren folgen. Weiterlesen

Hannah Höch: Album

34Ein Traumbuch des frühen zwanzigsten Jahrhunderts hat Hannah Höch mit ihrem nach siebzig Jahren erstmals vollständig publizierten „Album“ hinterlassen. Die Collage-Künstlerin hatte fotografische Abbildungen aus verschiedenen Jahrgängen der Berliner Illustrierten „Die Dame“, aber auch anderen Blättern ausgeschnitten und diese visuelle Beute in zwei Hefte der „Dame“ aus den Jahren 1925 und 1926 eingeklebt. Das Album umfasst 114 Seiten, die letzten Einträge werden auf 1933 datiert. Der unterschiedliche Vergilbungsgrad der Zeitungsausschnitte, die in ausgezeichneter Qualität wiedergegeben sind, verstärkt den Charakter des weit Zurückliegenden, ja Imaginären, den diese Bildsequenzen für den heutigen Betrachter annehmen. In der Regel sind die Fotografien, dem Stand der damaligen Technik entsprechend, schwarz-weiß bzw. in warmen Brauntönen gehalten. Einige Farbdrucke von gezeichneten Blüten oder Farbphotos, wie sie in Pflanzenfibeln der Zeit zu finden sind, setzen in sattem Blau visuelle Akzente. Weiterlesen

Candida Höfer: Monographie.

37Ein eigentümlicher Glanz liegt über den Räumen, die Candida Höfer, in ihrem sorgfältig ausgestatteten Fotografieband dem Betrachter vor Augen führt. Schlicht „Monographie“ heißt das gewaltige Unternehmen, das Bibliotheken und Museen, Orte des Wissens und der Sammlung, aber auch Turnhallen und Schulungsräume, Restaurants und Kursäle in Europa und Amerika zeigt.

In der Regel wird dem Blick Einlass in ein Raumgehäuse gewährt, das von der Ausstattung des Fußbodens bis zur Deckenbeleuchtung die architektonische Konzeption klar erkennen lässt. Ob die Dichte des Inventars im Lesesaal einer ehrwürdigen Bibliothek oder die planerische Kühle des Tresorraums einer Bank, stets scheinen die Räume, lange ehe der Mensch hinzutritt, in überzeugender Geschlossenheit in sich zu ruhen. Menschen sind selten zu sehen, gezeigt wird aber ein Raum, der für die Arbeit von Menschen bestens vorbereitet ist. In Erwartung bald einsetzender Aktivitäten erweist er zuvor einer stets dezenten, auf Farbgebung und Linienschwung eingehenden Kamera seine Referenz. Weiterlesen