Magnum, Magnum

19„Magnum“, die renommierte und kühne Fotoagentur der Fotografen, feiert ihr 60jähriges Bestehen: Zeitgenossenschaft, gesellschaftliches Engagement und der Blick auf Missstände und Gewalt, aber auch auf die Würde, Schönheit und Selbstachtung des Menschen bestimmen die Arbeit ihrer derzeit mehr als 60 Mitglieder. Eine ergreifende Zwiesprache mit fremden Kulturen und Denkweisen und ein visuelles Fest, das gar nicht mehr aufhören will, stellt der großformatige, schwergewichtige Fotografieband „Magnum Magnum“ dar, der in deutscher Ausgabe bei Schirmer/Mosel erschienen ist.

„Wenn man ein Buch liebt, dann liebt man alle Bilder, aus denen es besteht. Es stellt sich die Aufgabe, ein einzelnes Foto zu finden, das ans Ganze erinnert“, beschreibt der Schweizer Fotograf René Burri das schwierige und überaus gelungene, ebenso demokratische wie individuelle Prinzip, nach welchem die Auswahl für den Band getroffen wurde: Die Fotografen kuratieren sich gegenseitig. Ein Fotograf stellt einen anderen vor, trifft aus dem vorliegenden Werk eine Auswahl und schreibt einen kleinen Kommentar dazu.

Die Anordnung dieser „Wahlverwandtschaften“ erfolgt nach der Willkür des Alphabets. Das enzyklopädische Prinzip führt zu mitunter wilden Nachbarschaften. Weiterlesen

Eine Geschichte des Vertrauens. Fotografinnen fotografieren Frauen

25Selbstentwürfe von Frauen sind unweigerlich mit einem bereits existierenden Bildrepertoire, das seit Jahrhunderten aus männlicher Sicht das Weibliche definiert hat, konfrontiert, lautet eine der Thesen zur Genderdebatte, die Elisabeth Bronfen in ihrem einleitenden Essay zum Bildband „Frauen sehen Frauen“ diskutiert.

Können Frauen in der Balance zwischen Vertrautsein mit dem weiblichen Körper und der Anerkennung der Autonomie der anderen Frau als eigenständige Person die reale Frau wieder ins Bild rücken und neue Bildtraditionen gestalten ? Oder beschränkt sich ihr Spielraum doch nur darauf vorhandene, allzu bekannte Sichtweisen und tradierte Darstellungsformen ironisch zu unterlaufen?

Schaut man sich – auch wenn die Bürde theoretischer Deutungsmuster auf der Geschichte der Frauenfotografie lasten mag – die Fotografien möglichst unbefangen an, ist man hingerissen von der Nähe, Schönheit und Vitalität der porträtierten oder posierenden Frauen. Versonnene, selbstvergessene Momente blitzen auf, wie bei den Akten von Germaine Krull. Nie wird die Kamera zudringlich, stets bleibt sie zurückhaltend und gelassen. Frauen mit unförmigen Körpern (bei Lisette Model) stellen sich nicht bloß, vom Elend verhärmte Menschen (bei Dorothea Lange und Margarete Bourke-White) werden in ihrer prekären Situation aufmerksam von der Kamera begleitet.
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Blendende Reduktion, üppige Fülle: North South

27Der Weg vom kargen Norden zur Vegetation des Regenwalds, den der Betrachter von Axel Hüttes neuem Fotografieband „North South“ durchmisst, ist gleich überwältigend in seiner Schönheit wie seiner visuellen Anstrengung.

Zunächst kaum zu fassen vermögen zwei Augen das Gebotene. Die äußerste Reduktion einer aufgeworfenen Schneelandschaft, zart überfrorene Wiesen und filigrane Eis-Ornamente bestimmen die Bilder des hohen Nordens, während in Aufnahmen von südlicheren Gefilden die verschwenderische Üppigkeit einer Natur gefeiert wird, die einen nicht enden wollenden Formen- und Farbenreichtum hervorbringt.

Der erste Teil des Bandes widmet sich Landschaften in Alaska, Island, Norwegen. Eisig, von blendender Helligkeit, die noch den Anflug eines sommerlichen Grün wie eine Offenbarung erscheinen lassen, zeigen diese Bilder eine minimalistische Welt, in der nur das Wesentliche Raum findet. Die Kamera bietet eine fast philosophisch anmutende Reflexion über die unterschiedlichen Zustände des Wassers, vom Fließen zum Erstarren: schneebedeckte Flächen werden neben freiem Wasser gezeigt, das sich als Sturzbach über kantige Felsen ergießt, schließlich das Meer, dessen Gischt vor Kälte zu klirren scheint.
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Pure Leidenschaft im Kleid äußerster Sachlichkeit

30Eine Monografie über das Lebenswerk von Bernd und Hilla Becher
„Man muss sich beeilen, wenn man noch etwas sehen will. Alles verschwindet“ mahnte Paul Cézanne die Zeitgenossen. Das „Vergehen der Welt, in die man so vernarrt ist“ im Bild festzuhalten, ist zentrales Anliegen von Bernd und Hilla Becher. Mit seinem umfangreichen Lebenswerk und seiner Lehrtätigkeit hat das Fotografenpaar der Industriearchitektur einen festen Platz im Archiv der Erinnerung verschafft und zugleich einen kaum hoch genug zu veranschlagenden Beitrag zum Einzug des Mediums Fotografie in die Kunstmuseen geleistet. Fotobücher der Bechers, in denen die Gegenstände ihres Interesses als anonymes Zeugnis einer ständig in Veränderung sich befindenden Epoche dokumentiert sind, gibt es seit den 70er Jahren. Aber erst jetzt ist im Schirmer/Mosel Verlag, in dem auch die Gesamtausgabe des Werkes publiziert wird, eine Monographie über ihre Arbeit erschienen. Der Band enthält eine Studie von Susanne Lange zu den Werkgruppen und zur Arbeitsweise, eine umfangreiche Auswahl von Fotografien zu den verschiedenen Objektbereichen sowie eine Zusammenstellung verschiedener Interviews und Arbeitsberichte aus einem Zeitraum von fast vierzig Jahren.
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Bewegte Nüchternheit – Laurenz Berges fotografiert verlassene Ortschaften

31Leerstehende Räume in einem dem Kohletagebau preisgegebenen Dorf, hin und wieder ein Blick auf eine wenig spektakuläre Landschaft im Rheinland – das ist das Sujet von Laurenz Berges‘ Fotografieband „Etzweiler“.

Wie fast alle Absolventen der Fotografieklasse Bernd Becher erweist er seinem Lehrmeister dadurch seine Referenz, dass er seine nüchterne Liebe zum Gegenstand teilt, wie karg auch immer dieser zunächst erscheinen mag. Mit seinem stärkenden Blick im Rücken entwickelt Berges eine distanzierte und doch bewegte Sicht auf die verlassenen Wohnstätten der Einwohner Etzweilers.

Eindringlich ist eine nur wenig variierte Anordnung. Fast die Hälfte der Fotografien zeigt eine kahle Wand, mit Raufaser tapeziert – das ist die traurige Variante – oder mit einer kühnen Tapete versehen: Blütenmuster auf schwarzem Grund, Trauerweide und Seerosen, Figürchen – das ist für sich schon anrührend. Lichtschalter und Steckdose wurden nicht abmoniert, ebenso wenig die Fußleisten. Weiterlesen

Kühle Schönheit der Welt. Axel Hütte: „Terra Incognita. Photographien 1982 – 2003“

33Eine in ihrer kühlen Schönheit zurückhaltende und doch mit ihrer Unnahbarkeit lockende Welt tritt dem Betrachter von Axel Hüttes Fotografieband „Terra incognita“ entgegen.

Dieser bietet eine Retrospektive der Arbeit des Künstlers über zwei Jahrzehnte hinweg. Rätselhafte Spiegelungen von Bäumen und Menschen im Wasser bilden mit zwölf Arbeiten den Auftakt. In schilfiges Dunkelgrün getaucht erscheinen Baumstämme und Laub. Das Blattwerk lässt in seiner Regelmäßigkeit an die Manier älterer Landschaftsmalerei denken, während man unversehens nach der „Staffage“ sucht: der menschlichen Gestalt im Vordergrund, die am Rande des Wassers steht. An ihr misst man die Höhe der Stämme, orientiert sich unwillkürlich, auch wenn sie klein, verschwommen, schemenhaft bleibt.

Der natürliche Spiegel des Wassers und eine fast entkörperlichte menschliche Figur bilden das Entrée des sorgfältig komponierten Buches. Dies ist durchaus programmatisch zu verstehen: in später positionierten Landschaften Hüttes bleibt der Betrachter, wenn auch nicht ungeleitet, so doch sich selbst überlassen. Einige unerbittlich sachlich gehaltene Straßenszenen aus Großbritannien in blendendem Schwarzweiß und Aufnahmen von nüchternen, verlassenen Innenräumen aus den achtziger Jahren folgen. Weiterlesen

Candida Höfer: Monographie.

37Ein eigentümlicher Glanz liegt über den Räumen, die Candida Höfer, in ihrem sorgfältig ausgestatteten Fotografieband dem Betrachter vor Augen führt. Schlicht „Monographie“ heißt das gewaltige Unternehmen, das Bibliotheken und Museen, Orte des Wissens und der Sammlung, aber auch Turnhallen und Schulungsräume, Restaurants und Kursäle in Europa und Amerika zeigt.

In der Regel wird dem Blick Einlass in ein Raumgehäuse gewährt, das von der Ausstattung des Fußbodens bis zur Deckenbeleuchtung die architektonische Konzeption klar erkennen lässt. Ob die Dichte des Inventars im Lesesaal einer ehrwürdigen Bibliothek oder die planerische Kühle des Tresorraums einer Bank, stets scheinen die Räume, lange ehe der Mensch hinzutritt, in überzeugender Geschlossenheit in sich zu ruhen. Menschen sind selten zu sehen, gezeigt wird aber ein Raum, der für die Arbeit von Menschen bestens vorbereitet ist. In Erwartung bald einsetzender Aktivitäten erweist er zuvor einer stets dezenten, auf Farbgebung und Linienschwung eingehenden Kamera seine Referenz. Weiterlesen