Shot in the Dark

Vom 13. – 24.01.2017 gibt es zur Vorstellung des Film von Frank Amann über fotografierende Blinde ein umfangreiches Begleitprogamm in Berlin, Köln und Hamburg. Am 15.1. beteilige ich mich an einer Podiumsdiskussion in Berlin über den Film. Eine genaue Veranstaltungsübersicht finden Sie hier

Der Augenblick der Fotografie

John Bergers Essays zur Fotografie zu lesen, heißt, ihm in eine Welt der Zuneigung, der Behutsamkeit und des Zorns über die maßlose Ungerechtigkeit der kapitalistischen Weltordnung zu folgen. Berger tastet sich an seine Sujets heran, umkreist sie, lässt sich von der jeweiligen Eigenart eines Fotografen faszinieren. Er umfängt das Subjektive in behutsamen, ja zart anmutenden Beschreibungen, um von ihnen ausgehend dann auf die Form des Erkennens zu zielen, die analoge Fotografie als die ihr eigene Form des Weltzugangs beanspruchen darf. Die Auswahl von Essays, Vorworten und Gesprächen, die von Berger seit den Sechziger Jahren verfasst worden sind, ist getragen von der kontinuierlichen Sensibilität und Neugier des Schriftstellers. Er weiß so zu schreiben, Weiterlesen

Spannend wie eine Detektivgeschichte: Das erste Buch zur Fotografie im Jahre 1844

42-7560 ZeichenKein anderes Buch in der Geschichte des Mediums war einflussreicher als Wilhelm Henry Fox Talbots rund 120 Seiten umfassende Foto-Buch „The Pencil of Nature“. Mit der Bedeutung der Gutenberg-Bibel für den Druck vergleicht Beaumont Newhall in seiner Einführung das Gewicht von Talbots Werk im Hinblick auf die Fotografie, vom „ersten Buch über die ästhetische Erfahrung der Fotografie“ spricht Hubertus von Amelunxen. Der gleichermaßen mathematisch-naturwissenschaftlich wie philologisch gebildete Fotopionier und Altertumsforscher Talbot vertrieb das mit 24 eingeklebten Kalotypien aufwändig produzierte Buch in einer überschaubaren Auflage an Subskribenten.

Talbots im Arabesken-Stil des 19. Jahrhunderts anmutig gestaltetes Buch ist zwar nicht das erste Buch, das mit durch fotografische Verfahren entstandenen Bildern illustriert ist – dieses Verdienst kommt nach derzeitigem Kenntnisstand einer Frau zu, Anna Atkins, die Fotogramme von Pflanzen für das (nicht kommerziell vertriebene) Album „British Algae, Cyanotype Impressions“ bereits 1843/44 erstellte. Aber es ist die erste Einführung in Chancen und Grenzen des neuen Mediums von einem der zahlreichen, um Anerkennung konkurrierenden „Vätern“ des Mediums selbst, souverän und im Bildteil mit kriminologischer Verve erzählt. Weiterlesen

Jean Claude Mouton: L’espace entre – territoires urbains


Für das Fotobuch „L’espace entre – territoires urbains“ (der Raum dazwischen – städtische Gebiete) von JeanClaude Mouton habe ich einen Begleittext geschrieben den ich im folgenden auszugsweise wiedergebe. Fotografien aus Berlin, Paris, Nanterre und Dunkerque sind in dem in der Edition Disadorno, Berlin veröffentlichten Fotobuch versammelt.

Im Fall von Berlin, mit seiner über vier Jahrzehnte hinweg politisch fest gefrorener Stadtgeschichte, ist Jean Claude Mouton angesichts des Stadtumbaus und der wieder freigelegten Erde nicht den üblichen Assoziationsketten zu ausgetrockneten Flussläufen, einstigen Wäldern oder prähistorischen Urmeeren nachgehangen, die sich bei solch imaginären Zeit-Spulungen zu längst vergangenen Epochen in der Regel einstellen. Weiterlesen

Aus Berlin: Neue Architekturfotografie

Berlin im 20. Jahrhundert, Kulminationspunkt deutscher wie europäischer Geschichte, stand nach der Wende im Fokus divergierender wirtschaftlicher Interessen und fluktuierenden Lebensformen. Aus der Mauerstadt, in der sich auch mit wenig Geld leben ließ, wird die immer teurer und schicker werdende Hauptstadt, die Bewohner müssen sich zwischen alter und neuer Stadtrealität zurecht finden. Den theatralisch gestimmten Auftakt des Fotobandes „Berlin Raum Radar“ setzt Andreas Mühe. Man sieht, als befände man sich mental in ungebrochen patriarchalischen Zeiten, die angestrahlten Rückenfiguren von festlich gekleidetem Herrn und blonder Dame, die vor einem transparenten Balkongeländer die Aussicht auf Fernsehturm und Kuppel genießen: „Heiner und seine Frau“, 2008 lautet die Bildunterschrift. Um was für einen Heiner mag es sich hier handeln, der hier so programmatisch und doch anonym am Anfang des Buches ins Bild gesetzt wird? Heiner Bastian liest man in einer anderen Bildunterschrift bei der Netzrecherche: Hier steht also der wegen seiner Sammlungs- und Leihpolitik umstrittene Kunstsammler mit Celine Bastian auf dem Dach seines Kunst-Hauses am Kupfergrabendamm und schaut auf die Museumsinsel hinüber?

Friederike von Rauch: Philharmonie 2

Solche Feinheiten werden uns im Buch zur gleichnamigen Ausstellung mit seinem ansonsten sehr schönen und überzeugenden Parcours von 34 FotografInnen leider vorenthalten oder als bekannt vorausgesetzt. Weiterlesen

Leipzig vor der Wende: Die Achtziger Jahre mit dem Blick eines Expats

Ein Selbstporträt des sorgfältig mit einem weißen Hemd bekleideten palästinensischen Fotografie-Studenten Dabdoub in einem Studentenwohnheim der DDR, der seiner Aufgaben gefasst in einen kleinen, gerahmten Spiegel entgegenschaut, eröffnet den Fotoband mit Schwarzweißaufnahmen über das Leipzig der Achziger Jahre. Flankiert von einem Grußwort seines damaligen Professors und einem Interview über die für Mahmoud Dabdoub sujektiv bis zur Wende als Jahre des Aufatmens und Getragenwerdens empfundene Zeit setzt der Hauptteil dann ein mit eindringlichen Aufnahmen vom dunstverhangenen Bahnhof. Weiterlesen

Dahingleitende Erinnerungsorte: Das Frankreich Elger Essers

Gespeist aus der versonnenen Welt der großen Romane, der Ansichtskarten und des Fernwehs (wie es vielleicht so in den nachfolgenden Generationen nicht mehr aufkommen wird) tritt uns Elger Essers zeitenthobenes Bild von Frankreich in großformatigen Prints (Diasec Face), Heliogravüren oder nachdunkelnden Kupferplatten in der Karlsruher Kunsthalle entgegen.

Im Blow up unscharf geworden wie der verschwommene Blick durch eine abgelegte Brille, welche die aktuellen Fehlsichtigkeit unserer Augen nicht mehr korrigieren kann, sondern auf einen vormaligen Zustand ausgerichtet ist, sehen wir im ersten Raum fünf überdimensionierte Postkarten von Meeresansichten, koloriert und mit Gebrauchsspuren ihrer einstigen Besitzer. Weiterlesen

World of Malls im Wandel

Fügen Shopping Malls dem sozialen Leben eine weitere Option hinzu oder ziehen sie unweigerlich die Zerstörung unserer Innenstädte nach sich? Gehören sie zur Stadt oder sind sie nur ein glitzerndes Trugbild ehemals vorhandener städtischer Öffentlichkeit? Eine Neuorientierung beginnt sich abzuzeichnen.

Der Bau einer neuen Shopping Mall im Stadtzentrum ruft spätestens nachdem das kommerziell erfolgreiche Centro im krisengebeutelten Oberhausen zu einer sichtbaren und kaum wieder gutzumachenden Verödung der Innenstadt geführt hat, besorgte Anwohner, aber auch Stadtentwickler auf den Plan. Dialog ist durchaus in europäischen Planungsverfahren vorgesehen: Das Spektrum reicht in Deutschland von der frühzeitigen Einbindung per Bürgerbeteiligung in Köln-Ehrenfeld, wo schließlich statt eines vom Investoren geplanten Einkaufszentrums eine Schule auf Vorschlag der Stadt gebaut werden soll, bis hin zur Bürgerbefragung im italienischen Bozen. Hier soll ein städtebaulich ins Hintertreffen geratenes Gelände am Bahnhof zugunsten eines Shopping Centers umgestaltet werden, ein bedeutender städtebaulicher Eingriff. Weiterlesen

New Yorker MoMA: Die Geschichte der zeitgenössischen Fotografie

41Bereits in den ersten Jahren seines Bestehens stellte das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) Fotografien aus. Mit dem 1940 eröffneten „Department of photography“ schrieb es mit wegweisenden Ausstellungen Fotogeschichte. In einem neuen Bildband widmet sich das Museum nun der großen Bandbreite zeitgenössischer Fotografie – nicht chronologisch, sondern nach Sektionen geordnet.

Die Geschichte der zeitgenössischen Fotografie anhand der großen Themen- und Einzel-Ausstellungen im New Yorker MoMA zu schreiben, ist ein Unterfangen, bei dem es auch darum geht, beherzt Schneisen durch die kaum mehr zu übersehende Vielfalt des Bildmaterials zu legen: Sieben unterschiedliche Kapitel werden in der im Schirmer/Mosel Verlag erschienenen Publikation dazu aufgeschlagen.Vom Dokument und seiner Revision, von der Dekonstruktion der Fotografie, aber auch ihrem Verhältnis zu Massenmedien, von experimentellen Gestaltungen, erzählerischen Konstrukten und nicht zuletzt vom Archiv ist in den einzelnen Essays und der beeindruckenden Bildauswahl die Rede. Oder wie es der erste Direktor des 1929 gegründeten MoMA, Alfred Barr, schon für die Rezeption der ständigen Sammlung, zu der er ausdrücklich auch Fotografie rechnete, formulierte: Sie gleiche „einem Torpedo, der durch die Zeit rast, seine Spitze ist die immer weiter voranschreitende Gegenwart, sein Heck die immer weiter entschwindende Vergangenheit“. Weiterlesen

Fotografinnen der Moderne

Die Namen sind sofort zur Hand: Claude Cahun, Marianne Breslauer, Ré Soupault, Florence Henri, Lee Miller. Sie und viele andere haben in den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als Fotografinnen zunächst in Europa reüssiert, mit eigenwilligen und ungewöhnlichen Bildarrangements. Einige besonders überraschende Selbstbildnisse haben Eingang ins imaginäre Museum der Fotografiegeschichte gefunden. Dies ist der Fall beim Doppelbildnis der knabenhaften Claude Cahun im karierten Bademantel vor dem Spiegel oder Florence Henris ernst blickender Halbfigur: Die Fotografin sitzt mit mokant verschränkten Armen an einem überdimensioniert lang erscheinendem, weiß gestrichenen Holztisch. Statt eines Tischpartners lehnt ein Spiegel an der gegenüber liegenden Wand, zwei kleinen Kugeln sind dicht vor ihn gerollt. Weiterlesen