Einprägsam geformte Objekte artifizieller oder natürlicher Herkunft, gerne auch schon etwas in die Jahre gekommen, bilden den Ausgangsstoff traumverlorener Sequenzen im weltenthobenen Kosmos surrealen Schaffens. „Der Vater des Surrealismus war Dada; seine Mutter war eine Passage“ , schrieb Walter Benjamin in den „Pariser Passagen“. Aber noch ein weiterer einflussreicher Dritter stand an der Wiege Gevater: der Kubismus. Man Ray (1890-1976), Surrealist durch und durch, mit Marcel Duchamp und Max Ernst befreundet, arbeitete Zeit seines Lebens daran, die konischen Gebilde, simultan nebeneinander gestellten Perspektiven und Transparenzen der kubistischen Formensprache in surreale Bildideen zu transformieren – eine Ausstellung im „Kunstforum Wien“ zu Man Ray gibt dieser Seite des schwer zu greifenden, in unterschiedlichen Medien experimentierenden Künstlers Raum. Weiterlesen
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Einblick in Man Rays Werkstatt
In den 20er-Jahren war das Studio des Fotografen Man Ray Treffpunkt des geistigen und künstlerischen Paris. Einen Einblick in seine Arbeitsweise ermöglicht „Portraits. Paris-Hollywood-Paris“. Die Publikation bietet eine Auswahl der zahlreichen erhaltenen Negative verbunden mit erläuternden Essays.
„Für Monsieur Man Ray ist das alles nur ein Tribut an den Pöbel“, kommentiert Jean Galotti 1929 Man Rays Selbsteinschätzung seiner fotografischen Auftragsarbeiten, bei denen er weitaus konventioneller verfuhr als bei den freien, künstlerischen Fotografien. „Tout Paris“ fand sich in den 20er- und 30er-Jahren im Studio des amerikanischen Surrealisten ein, dessen Dienste, wiewohl er in den ersten Jahren seine Freunde noch kostenlos porträtierte, mit wachsendem Zulauf „schick und teuer“ wurden.
Einen profunden Einblick in Man Rays Arbeitsweise gewährt die im Schirmer/Mosel Verlag erschienene Publikation „Man Ray. Portraits“ aus dem Man Ray Archiv im Centre Pompidou. Gezeigt wird eine Auswahl von 500 Aufnahmen, begleitet von Essays, welche die Auswertung von mehr als 12.000 Negativen, die digital erfasst und archiviert wurden, erläutern. Vor allem Intellektuelle, Künstler und High Society-Größen, die in einem komplexen Beziehungsgefüge zueinander standen, legten Wert darauf, ein Porträt von Man Ray anfertigen zu lassen und so gehörte für manch einen Amerikaner ein Besuch im Studio zu den Selbstverständlichkeiten eines Parisaufenthaltes.
Man Rays Foto Archiv hält aber auch die körperliche Erscheinung einiger weniger stark in der Öffentlichkeit stehenden Personen in Erinnerung, wie zum Beispiel der Montparnasser Malermodelle. So avantgardistisch manch einer von Man Rays Auftraggebern sein eigenes Werk oder Leben zelebriert haben dürfte, so konservativ blieb indes auch diese Kundschaft, wenn es darum ging, mit einer Porträtaufnahme den Zeitgenossen und der Nachwelt ein Bild von sich selbst zu überliefern. Man Ray bewunderte besonders die Gemälde alteuropäischer Meister wie Holbein, Veronese oder Vermeer und studierte deren Raumauffassung. Weiterlesen
Im Schatten der Geschichte: Lee Miller
Das surrealistische Paris und die Zusammenarbeit mit Man Ray prägten Lee Miller (1907–1977) als Fotografin. Ihre Berufung und ihr Trauma erfuhr sie im Zweiten Weltkrieg als Kriegskorrespondentin bei der US-Armee für Vogue. Jetzt werden ihre ausgezeichneten Künstlerporträts und kühnen Kompositionen wiederentdeckt.
Ein riesiger Schatten in Form eines Dreiecks dominiert das Bild. Dessen Spitze zeigt auf die – ihm wie zu Füßen liegende – besonnte Stadt. Kultiviertes Land erstreckt sich scheinbar ins Endlose, ein Horizont ist nicht zu sehen. Lee Millers «From the Top of the Great Pyramid» liegt eine kühne Komposition zugrunde: Das Schatten-Dreieck bildet eine dunkle, negative und doch transparente Form, die Prinzipien des Figurenaufbaus der klassischen Kompositionslehre in Erinnerung ruft. Das berühmte Foto entstand um 1937/38 während des fünfjährigen Ägypten-Aufenthaltes der Amerikanerin an der Seite ihres ersten Ehemanns, Aziz Eloui Bey – eines wohlhabenden, gegenüber Lees Eskapaden generösen Ingenieurs und Geschäftsmannes.
Millers Ägypten-Bild ist frei von den Orientalismen, die in der Fotografie wie in Literatur und Malerei eine lange Tradition haben und einen geografisch unbestimmten «Orient» als Projektionsfläche sinnlicher (Männer-)Fantasien schaffen. Der Schatten, den die Pyramide wirft, wird vor ihrer Kamera ein zwar geschichtsträchtiger, aber doch moderner Schatten. Millers Ägypten-Aufnahmen integrieren sich in die internationale Formensprache der Moderne – klare, puristische Formen, kraftvoll gesetzte Volumina, alles Überflüssige ist aus dem Bild verbannt. Über den Arbeiten scheint ein archaisch anmutendes Schweigen zu liegen. Persönlich erlebte Miller, die mit Freunden Expeditionen ins Landesinnere und Wüstenfahrten unternimmt und ansonsten ihre Zeit in Kairos mondänen Kreisen verbringt, die Zeit in Ägypten als einförmig. Das Land sei «just tombs, ruins, embalmed bodies, generations of people, dead people, doing exactly the same thing, in the same way». Weiterlesen
Hannah Höch: Album
Ein Traumbuch des frühen zwanzigsten Jahrhunderts hat Hannah Höch mit ihrem nach siebzig Jahren erstmals vollständig publizierten „Album“ hinterlassen. Die Collage-Künstlerin hatte fotografische Abbildungen aus verschiedenen Jahrgängen der Berliner Illustrierten „Die Dame“, aber auch anderen Blättern ausgeschnitten und diese visuelle Beute in zwei Hefte der „Dame“ aus den Jahren 1925 und 1926 eingeklebt. Das Album umfasst 114 Seiten, die letzten Einträge werden auf 1933 datiert. Der unterschiedliche Vergilbungsgrad der Zeitungsausschnitte, die in ausgezeichneter Qualität wiedergegeben sind, verstärkt den Charakter des weit Zurückliegenden, ja Imaginären, den diese Bildsequenzen für den heutigen Betrachter annehmen. In der Regel sind die Fotografien, dem Stand der damaligen Technik entsprechend, schwarz-weiß bzw. in warmen Brauntönen gehalten. Einige Farbdrucke von gezeichneten Blüten oder Farbphotos, wie sie in Pflanzenfibeln der Zeit zu finden sind, setzen in sattem Blau visuelle Akzente. Weiterlesen
Ich-loses Auge. Ein Band über Thomas Mann als fotographisches Objekt
„Ich werde mich fotografieren lassen, die Rechte in der Frackweste und die Linke auf (…) drei Bände gestützt, dann kann ich eigentlich getrost in die Grube fahren“, schreibt der gerade 24 jährige Thomas Mann 1901 in einem Brief an seinen Bruder Heinrich. Die scherzhafte Vorstellung vom Salon des Fotografen, der als Vorhölle zur Gruft betrachtet wird, ist durchaus symptomatisch für Manns auch in späteren Jahren noch recht kritisches Verhältnis zur Fotografie. Porträtfotografien gehören für den Erfolgsschriftsteller zu den ebenso unumgänglichen wie wirkungsvollen Repräsentationsaufgaben.
Es existiert eine Reihe von exzellenten Studiofotografien: die Arbeiten von Man Ray, Lieselotte Strelow, Lotte Jacobi, und Yousuf Karsh zeigen in den dreißiger Jahren Thomas Mann als nachdenklichen, hellwachen, oder auch verschlossenen Zeitgenossen, der als erklärter „Liebhaber der Physiognomik“ am vielgestaltigen Ausdruck seiner eigenen Porträts bereits ein reiches Arbeitsfeld vor sich gefunden hätte. Dennoch kokettiert der Dichter, ungeachtet dessen, dass er es mit den besten Fotografen seiner Zeit zu tun hat, damit, dass er lieber stundenlang einem Zeichner Modell sitzen würde, als sich dem „blind-sehenden“, „ich-losen und exakten Apparat“ auszuliefern.
Eva-Monika Turck hat in ihrem schön ausgestatteten und großzügig bebilderten Essay Thomas Mann. Fotografie wird Literatur den Versuch unternommen anhand von Textbeispielen und Bildmaterial das Verhältnis von Thomas Mann zur Fotografie in einer kursorischen Werkanalyse darzustellen. So ansprechend der Band auf den ersten Blick erscheinen mag, so enttäuschend ist leider der Inhalt. Ausgangspunkt ist der Gedanke der Sammlung. Wie in einem imaginären Fotoalbum sollen Bild für Bild die Hinweise und Beschreibungen aufgeschlagen werden, in denen in Manns Werk Fotografien erwähnt oder beschrieben werden.