In der legendären Becherklasse für Fotografie unterrichtet worden zu sein, ist der Karriere nur bedingt förderlich: Gerade Frauen werden bis heute gerne als deren „Schülerin“ wahrgenommen, sodass man sich wenig darum bemüht, ihre Bildideen, ihre Themen und ihre Ästhetik als eigenständige künstlerische Position zu würdigen. So auch im Fall von Tata Ronkholz, die obendrein aus finanziellen Gründen nur wenige Jahre ihre künstlerische Arbeit intensiv verfolgen konnte. Kennerinnen verbinden ihr Werk vor allem mit den „Trinkhallen“, den kleinen Büdchen im Kölner Raum und im Ruhrgebiet, die eine Mischung aus Kiosk und erweitertem Wohnzimmerausschank sind, Ronkholz’ Archiv umfasst dazu Hunderte von Schwarzweiß-Aufnahmen. Sie zeigen inmitten zeitspezifischer architektonischer Tristesse einen banalen, aber grell ins Auge fallenden Ort, an dem in der Fülle der auf kleinstem Raum zur Schau gestellten Illustrieren, dem Potpourri von Tabakwerbung und buntem Süßkram, im Zusammenspiel von Typografie und Bild ein Hauch von Werthaltigkeit zu spüren ist. Und dies, obwohl keine Menschen zu sehen sind. Letzteres kann man auf die Bechers zurückführen oder auf den ganz spezifischen beruflichen Hintergrund, den die Ausstellung in der SK Stiftung Kultur thematisiert und dem Julia Reich in einem Essay des Katalogs nachgeht: Ronkholz war Innenarchitektin und eine avantgardistisch- konstruktivistisch arbeitende Möbeldesignerin, die auch Produktfotografie betrieb – in menschenleeren Räumen. „Das Büdchen um die Ecke“, so Ronkholz, wolle sie in ihrer „ganzen Liebenswürdigkeit“ zeigen, man könnte sagen als eine Art von Erholung für ein an strenger Formensprache und visueller Beherrschtheit geschultes Auge. Ihren Sinn für elementare architektonische Formen und Details hatte sie zuvor schon in Aufnahmen aus der Toskana fotografisch unter Beweis gestellt, hier werden Ausschnitte von der Verwitterung ausgesetzten sakralen Bauten gezeigt, ihre steinernen Rundbögen, Friese und schwarzweißen Marmorbänder kontrastieren mit dem Straßenpflaster. Die Bildsprache ist klar und wohlüberlegt.
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Deutsche Dokumentarfotografinnen der Kriegsgeneration. Was Menschen zusammenhält.
Barbara Klemm, Erika Sulzer-Kleinemeier, Abisag Tüllmann und Angela Neuke, Tata Ronkholz oder Inge Rambow – sie alle verbindet eines: Ihre Kindheit war vom Krieg überschattet, sie haben Zusammenbruch und Wiederaufbau erlebt und analysieren mit ihren Fotografien, was Menschen zusammenhält.
Dokumentarfotografie bedeutet mehr noch als rein künstlerische Fotografie ein persönliches Bekenntnis der Fotografin. Sie zeigt, was sie vor Ort mit der Kamera sieht, nimmt uns mit, wenn sie unterwegs ist. Ihr Blick richtet sich bevorzugt auf das, was ohne Aufhebens geschieht, sich im Alltagsgeschehen oder in ritualisierten Abläufen so offensichtlich unsichtbar gemacht hat, dass es der Wahrnehmung entgleitet. Holt sie es wie beiläufig und doch mit Absicht ins Bild, so wird jenseits der Fotografie von besonderen Ereignissen und jenseits des Tagesgeschehens im Bildjournalismus eine Welt sichtbar, die im Vorübergehen und im Hier und Jetzt ihre ganz spezifische Qualität besitzt: Es entstehen unter ihrem Blick miteinander korrespondierende «Biotope», die inmitten des gewohnten Ablaufs dezidiert, wenn auch zunächst kaum merklich Aussagen über das Gesamte treffen: Dokumentarfotografie zeigt Menschenwerk gerade dort, wo man gewohnt ist, Funktionales zu sehen, und führt damit doch umso eindringlicher die zeit- und kulturspezifischen Bedingungen menschlicher Haltungen vor Augen. Fragile Gegenräume kommen so ins Bild, die mit der Fotografie «aufgenommen» werden: Die Fotografin erkennt sie mit ihrer Kamera.
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Die Düsseldorfer Photoschule. Photographien 1961-2008
Als Lehrende an der Düsseldorfer Kunstakademie hatten Bernd und Hilla Becher einst eine Generation von international anerkannten Fotografen ausgebildet. Der Kunsthistoriker Stefan Gronert gibt einen Überblick über das Schaffen von zehn Fotografen, welche die Becher-Klasse durchlaufen haben.
Alles begann mit Aufnahmen von Hochöfen und Kühltürmen, Siegener Fachwerk und Getreidesilos: Die ‚anonymen Skulpturen‘ von Bernd und Hilla Becher schufen ein neues Verständnis für die spröde Formenwelt der Industriekultur und zugleich für die Fotografie als konzeptionell fundierte Kunst.
Bernd und Hilla Becher verhalfen international der zeitgenössischen deutschen Fotografie zum Durchbruch, gleichermaßen mit ihrer Arbeit als Fotografen wie als Lehrende an der Düsseldorfer Kunstakademie. Der Bildband „Die Düsseldorfer Photoschule“ von Stefan Gronert fokussiert neben den Aufnahmen der Bechers das fotografische Werk von zehn international anerkannten, einstigen Absolventen der Becherklasse. Das Buch lässt sich auf zwei Ebenen lesen: als visuelles Ereignis und als begleitende Einführung. Mit der Anordnung der Arbeiten beginnend mit Bernd und Hilla Becher bis zu Jörg Sasse schließt sich von den ersten Wassertürmen bis zu Sasses turmförmigem Bild-„Speicher“ ein Bogen. Weiterlesen