Katharina Gruzei: Mir Metro

Einen atemberaubenden fotografischen Streifzug durch die Moskauer Untergrundbahn bietet Katharina Gruzei mit ihrem Fotobuch „Mir Metro“.

Ihr durchdacht gestaltetes, ja geradezu rhythmisch getaktetes Buch zeigt Aufnahmen, die zwischen 2008 und 2020 entstanden sind. Historische Fotografien in Schwarz-Weiß und glänzend geschriebene Essays zur Baugeschichte und zum utopischen Potential der Metro in der früheren Sowjetunion begleiten die Farbbilder. Ihre Fülle ist überwältigend, wir bewegen uns mit ihnen durch die Architekturgeschichte der Stationen und Pavillons, die vom Pomp bei Material und Ausstattung zur Stalinzeit über zurückhaltende Ornamentik bis hin zu kühnen Deckenkonstruktionen reicht.

Die Augen gleiten darüber hinweg wie beim Gang durch ein Museum, um immer wieder an einem Detail innezuhalten. Wir sehen ein Bild Lenins im Neorokokorahmen, blicken in das Gewölbe von Kuppeln, die an Kirchen denken lassen, betrachten Mosaike mit „Helden der Arbeit“ und abgekämpfte Passagiere. Die Metro bleibt trotz ihrer beeindruckenden Architektur ein Ort der schnellen Abläufe, des Gedränges, der Überwachung und der von der Arbeit, vom harten Leben in der Stadt oder als Aufsicht in den Stationen müde gewordenen Menschen. Katharina Gruzeis „Sinfonie der Metro“ hat mit diesem Buch einen ganz eigenen Klang gefunden inmitten der vielen U-Bahnaufnahmen, an denen die Fotografiegeschichte reich ist.

Katharina Gruzei: Mir Metro. Hatje Cantz, Oktober 2021, 24 x 32 cm, 496 Seiten, 445 Bilder Leinen Hardcover, 58€. Mit Texten von Anna Bronovitskaja, Valentin Diakonov, Boris Groys, Katharina Gruzei, Abigail Solomon-Godeau

Zuerst erschienen in EIKON Nr. 116 11/2021