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Die eigenen vier Wände, so vorläufig und bedroht sie von außen sein mögen, bilden das Gehäuse des Menschen, in dem Traditionen bewahrt, Ordnungen verteidigt, inmitten des Alltags ein Rahmen geschaffen wird für Lebensentwürfe und Träume, so bescheiden diese auch sein mögen. Beatrice Minda hat gute Stuben in Rumänien in sonntäglichem Licht fotografiert, Wohnungen von Landsleuten im französischen und deutschen Exil, aber auch Verschläge von rumänischen Arbeitsemigranten an der Peripherie von Paris.
Bunt gemixte Muster und Ornamente auf farbenprächtigen Teppichen und Tapeten, filigrane Deckchen und Handarbeiten überziehen die Wohnungen in Rumänien wie ein Gespinst, unterbrochen von Fotografien der Lieben, Ikonen und Gemälden. Schwergewichtige Restbestände bürgerlichen Mobiliars auf engstem Raum gepresst, peinlich genau Arrangiertes, hin und wieder Bücherstapel, eine mühsam geordnete Welt scheint in eine Zeitkapsel gepresst worden zu sein.
Im Nachwort des aus Rumänien stammenden Dichters Richard Wagner erfährt man, was diese wie aus der Ferne herübergrüßendem Zufluchtsstätten ihren Bewohnern während der Diktatur bedeutet haben müssen. In den Exiliantenwohnungen der Metropolen tauchen in nüchternem Kontext einzelne Gegenstände wieder auf, Teppiche und Ikonen, doch jetzt sorgsam aufeinander abgestimmt, ästhetisch inszeniert, wertvolle Begleiter und Boten einer anderen Welt. In wildem Miteinander bedecken Tücher und Decken die Barackenwände der Notunterkünfte in den Vorstädten, Gefundenes und Sperrmüll bildes das Lebensumfeld, das doch die kulturelle Anstrengung des Bewohners spiegelt: “Jede noch so hilflose Geste des Einrichtens des Eigenen ist im Grunde eine Hommage an die europäische Lebensform“, schreibt Richard Wagner. Beatrice Minda hat das Behaustsein im Unbehausten mit Hingabe und großer Offenheit ins Bild gesetzt – auch wenn die Bewohner nicht zu sehen sind, so gewähren sie uns doch einen sehr ergreifenden, kostbaren Einblick in ihr Innenleben.
Beatrice Minda: Innenwelt. Fotografien aus Rumänien und aus dem Exil. Hatje Cantz 2007, 160 S., 60 farbige Abbldungen, 39.80€
zuerst erschienen: Süddeutsche Zeitung 29.01.2008