Nach „Innenwelten“, einem Band, der sich Wohnungen von Rumänen und Exilrumän*innen widmet und einer Arbeit über Interieurs im Iran, wendet sich Beatrice Minda in einem weiteren Werkkomplex Innenräumen zu, die unserem Auge fremd anmuten.
Mit „Dark Whispers“ bekommen wir Einblicke in Behausungen auf Myanmar, das Beatrice Minda kurz vor dem Militärputsch bereiste. Der Begriff „Behausung“ beschreibt am besten, was wir im vom Kolonialismus und Militär geplagten Land, dem einstigen Burma, zu sehen bekommen: Es sind einfache, aus Bambus geflochtene Hütten, aber auch heruntergekommene Villen von ehemals wohlhabenden Händlern und Farmern aus England, China und Indien.
Sie tragen die Spuren verflossener Pracht und Reste der ehemaligen Ausstattung sind erkennbar, allerdings verstaubt, vom Klima und Tieren angegriffen, als wären es lange nicht betretene Dachböden. Betrachten man die feinsinnig komponierten Aufnahmen, die in Farbgebung und Lichtspiel ihren eigenen Zauber entfalten, ohne je pittoresk zu werden, wenn sie karge Küchenecken oder mangels eines Schrankes an die Wand gepinnte Tüten zeigen, so ist die erste Frage: Wohnt und lebt hier noch jemand? Sind das möglicherweise sehr alte, alleinstehende Menschen? Oder werden die Räume nur vorübergehend genützt? Zeigen sie die Hinterlassenschaft von bereits Verstorbenen? Hier und da ein Moskitonetz, das noch gut instand ist, Wäsche auf der Leine, Nahrungsmittel, einmal frische Blumen in einem gepflegten Zimmer belehren uns eines Besseren, wenn man sehr genau hinschaut. Weil der knappe, einführende Text darauf hinweist, entdecken wir ein Baby in einer Hängematte, ganz unscharf auch einmal einen sitzenden, europäisch aussehenden Mann. Und immer wieder Katzen. Manche Wände sind geschmückt mit Andachtsbildern, auf ihnen dominieren die hellen Farben gelb und orange, während die abgeblätterten Holzwände oft eisblau, moosgrün oder türkis lasiert waren. Bei den wenigen Möbelstücken – Tischen, hier und da ein Schrank – dominiert dunkelbraun. In der verhaltenen, durch das meist schummrige Licht, das von außen eindringt, zurückgenommenen Farbigkeit der Räume sticht hin und wieder bei den Küchengegenständen eine in dieser Umgebung als grell empfundene Farbe heraus: der rote oder grüne Griff von Schöpflöffeln, die an die Wand gepinnt sind, oder kobaltblaue Eimer. In einem Raum, der noch Spuren einstiger Vornehmheit aufweist und dessen Fußboden gepflegt erscheint, gibt es auch leuchtendes, farbiges Fensterglas mit Romben und einen wuchtigen, antiken Schrank mit Glastür. Ein grasgrün gemustertes Moskitonetz und Wolldecken zeugen davon, dass er aktuell bewohnt ist. In einem anderen Raum hängt ein – möglicherweise gefiedertes – Objekt an einer Leine. Dient es religiösen Zwecken oder der Nahrung? Körbe und Gefäße aus Blech lagern in den Ecken. Hin und wieder blicken wir auf üppige Natur, die sich vor den Fenstern ausbreitet oder auf Außenaufnahmen von Villen, die vom Zahn der Zeit und den wechselnden Herrschaftsverhältnissen schwer mitgenommen sind. Darf man daraus schließen, dass die nachfolgenden Fotografien in diesen Räumen entstanden sind? So wunderbar die Bilder sind, so schwierig machen es einem die Gestaltung des Buches und der einführende Text, das „Geflüster“ dieser fremden Welt auch nur annähernd begreifen zu können: „Es gibt Kräfte und Mächte, die wir nicht sehen, sondern nur fühlen und fürchten können“, schreibt hier der burmesische Lyriker Ko Ko Thett. Vorbuddhistische Kulte, Geister (Nats) spielen eine wichtige Rolle, eine allmorgendliche rituelle Handlung mit einer geschmückten Kokosnuss wird erklärt und dass die hölzerne Figur eines weißen Pferdes, die wir an der Wand einer Bambushütte erkenne, als Zeichen der Demut zu verstehen sei. Vieles, gerade auch im Hinblick auf die Besonderheiten der Architektur, bleibt indessen offen. Im Anhang ist die Geschichte einiger Häuser dokumentiert, leider werden die Aufnahmen aus dem Buch hier briefmarkengroß und ohne Paginierung wiedergegeben, eine Zuordnung zum Gesehenen ist so nur äußerst mühsam möglich.
Beatrice Minda: Dark Whispers. 50 + 40 S., Hartmann Verlag, 39 Euro
zuerst erschienen in Photonews Nr. 6/21 –Juni 2021