Friederike v. Rauch: Monastic

Mariendom Maria, Königin des Friedens

Kloster San Giorgio Maggiore

Wie kaum ein anderer Ort ist die Vorstellung vom klösterlichen Leben für Außenstehende durch innere Bilder von sehr hellen oder sehr dunklen Räumen bestimmt: Sie mögen als Zentrum der Selbstbesinnung und Gottesnähe einen karg ausgestatteten, aber ruhigen und weltabgewandten Zufluchtsort inmitten sorgsam gehegter Natur verheißen. Sie können aber auch, ganz im Gegenteil als Stätte fremdbestimmter, historisch nicht immer frei gewählter, lebenslanger und strenger Entsagung mit einem leisen Schaudern betrachtet werden. Physischen Zutritt gibt es nur zu vom Kloster selbst ausgewählten, freigegebenen Bereichen. Das praktische Interesse am Leben in religiösen Gemeinschaften ist indes sehr verhalten, wie die Schwierigkeiten, Nachwuchs für die Orden zu finden, zeigen. Die Architekturfotografin Friederike von Rauch wählt in ihrer Arbeit einen formalen Zugang, der sich ganz auf Räume und Raumfragmente des Klosterinneren verlegt: Es geht nicht um das Gemeinschaftsleben selbst, um Riten und Andacht, sondern um die tiefe und nach innen gerichtete Konzentration, welche die intensive Erfahrung des Raumes dem Einzelnen abverlangt. Die Fotografin hat während mehrerer Jahre Klöster in Deutschland, Frankreich, Belgien und Italien besucht, sehr bekannte wie „La Tourette“ von Le Corbusier, aber auch wenig beachtete. Der architektonische Stil ist bis auf zwei Renaissancekloster in Italien vom Brutalismus der Nachkriegsmoderne bestimmt, einer Zeit, in welcher der Kirchen- und Klosterbau sich so kühn wie zukunftsweisend entfaltete. Sichtbeton und Natursteine, skulpturale Kuben und Sinn für Gewicht und Proportion bestimmten diese auch im weltlichen Bereich so asketisch wie markant auftretenden Bauten. Von Rauch wählt mit ihrer Kamera Ausschnitte, die uns mit äußerer Reduktion konfrontiert, uns ihr geradezu aussetzt.

Dies geschieht nicht nach Klöstern oder Standorten geordnet, sondern nach sorgfältig erwogenen, ästhetischen Kriterien. In den puristisch gehaltenen Räumen erscheint alles so kühl wie rauh,

Gedenkkirche und Kloster Maria Regina Martyrum

 

der Rauhputz, der Rauhreif, die Bodenplatten, selbst die wenigen Lichtspuren, die wie beleuchtete Seitenbegrenzungen geometrischer Körper aus dem Dunkel aufscheinen. Indes, sie verheißen nichts: Man ist auf sich selbst geworfen und wärmt sich am eigenen Atem. Die Farben, die von der Fotografin wie durch ein leicht beschlagenes Glas betrachtet, ins Bild gesetzt werden, sind zurückgenommen, geradezu kostbar in der sie umgebenden Kargheit: Das verschwommene Karmesinrot eines Vorhangs, die golden aufleuchtenden Kanten von Platten,

Abtei Roosenberg

edel wirkende Grauabstufungen. Sehr selten sehen wir aus einem Fenster auf nüchterne Winterlandschaften, der Ausblick ist streng gerastert. Rein als Bild betrachtet, erinnert manche Bildkomposition Friederike von Rauchs von ferne an die Strenge Piet Mondrians in seiner konstruktivistischen Zeit.

Kloster Sainte-Marie de La Tourette

Das mag gleichermaßen den Proportionen der brutalistischen Architektur geschuldet sein wie dem fein austarierten Bildaufbau der Fotografin, der indes nie unerbittlich ist. Dem Sujet der Weltabkehr und des davon erhofften Reichtums in der geistigen Versenkung kommt das sehr nahe. Es ist frei gewählte Selbstbeherrschung, die ein solches Tun impliziert. Die Bilder Friederike von Rauchs verlangen deshalb ein aufmerksames, langsames, anhaltendes Schauen, das einem nach und nach immer tiefer hineingeleitet in eine abgeschiedene Welt, die eigenen Maßstäben gehorcht. Bild für Bild wächst dabei die Fähigkeit Bildstrukturen zu erkennen. Den Betrachterinnen und Betrachtern wird dies wie eine meditative Übung abverlangt. Man wird belohnt, einerseits im ästhetischen Genuss, andererseits im Freiraum, den eine solche, intensive Beschäftigung verschafft. Die letzten Bilder im Buch zeigen als Rechteck oder Oval gerahmte Öffnungen, die sich aus tiefdunkler Umgebung

lösen, um schließlich auf weiteren Bildern in ein kosmisch anmutendes, zeitloses Schwarz zu versinken. Man kann es, je nach religiösem Empfinden als Trost oder als Rückkehr ins Nichts empfinden, wie einen Blick ins Universum, den der gestirnte Himmel über uns bietet.

Gedenkkirche und Kloster Maria Regina Martyrum

Kloster Sainte-Marie de La Tourette

Friederike v. Rauch: Monastic erschienen im Jovis Verlag, 61 S., Berlin 2019, 40 Euro

zuerst erschienen in Photonews Nr. 4/20 – April 2020

Die Veröffentlichung der Bilder erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Fotografin.